Camino Francés überlaufen – Lohnt sich die Pilgerreise trotzdem?

Immer wieder erscheinen neue Artikel zum Thema Jakobsweg. So berichtete erst kürzlich die Süddeutsche Zeitung in „Spanien: Overtourism auf dem Jakobsweg“ (02.10.2025) über den zunehmenden Andrang. Auch in diesem Sommer gab es Berichte über Brände und Gefahren, die das Weiterlaufen auf dem Camino Francés erschwerten.

Aus Gesprächen mit Hospitaleros (Gastgebern) und eigenen Erfahrungen wird klar: Der Andrang auf den Jakobsweg steigt enorm. Viele bezeichnen ihn mittlerweile als zu überlaufen oder überfüllt. Das ist nicht nur Theorie – die aktuellen Zahlen bestätigen den Trend.

Für viele stellt sich die Frage: Soll ich trotzdem den klassischen Camino Francés gehen? Muss ich Angst haben, kein Bett in einer Pilgerherberge zu bekommen? Und wie treffe ich die richtige Entscheidung für meinen eigenen Jakobsweg?


Die Realität der Überfüllung auf dem Camino Francés

Der Camino Francés ist der beliebteste Jakobsweg – im Jahr 2024 machten etwa 220.000 Pilger:innen die Strecke von Saint-Jean-Pied-de-Port bis Santiago de Compostela, was etwa 49 % aller Pilger:innen ausmacht. Besonders in den Sommermonaten führen die vielen Pilger:innen zu einer hohen Frequentierung.

 

Gründe für die Überfüllung

  • Einfache Zugänglichkeit: Gut markierte Wege, zahlreiche Unterkünfte und Infrastruktur machen ihn leicht zugänglich.
  • Pilgerurkunde (Compostela): Viele Pilger:innen wollen die letzten 100 km zu Fuß (oder 200 km mit dem Fahrrad) absolvieren, um die Compostela zu erhalten.

Die Etappen ab Sarria sind besonders stark frequentiert, da viele Pilger:innen hier einsteigen, um die Compostela zu erhalten.

📍 Strecke ab Sarria

  • Gesamtdistanz bis nach Santiago: ca. 114 km (je nach Route leicht unterschiedlich)

  • Etappen: meist 5–6 Tage

  • Beliebte Orte unterwegs:

    • Sarria

    • Portomarín

    • Palas de Rei

    • Arzúa

    • O Pedrouzo

    • Santiago de Compostela


Wann ist die beste Zeit, den Camino zu gehen?

Besonders in den Sommermonaten kommt es auf dem Camino Francés häufig zu Überfüllung. Das liegt vor allem daran, dass in Spanien, Italien und vielen anderen europäischen Ländern im August Ferienzeit ist – viele nutzen diese Zeit für „günstigen“ Urlaub. Daher würden wir abraten, den Camino im August zu gehen.

Wir selbst sind den Camino Ende August bis Anfang Oktober gegangen und haben festgestellt, dass die Frühjahrs- und Herbstmonate die beste Zeit sind, um den Weg in Ruhe zu erleben. In diesen Monaten kannst du den Camino genießen, ohne Sorge haben zu müssen, keinen Schlafplatz zu finden oder dich morgens im Wettkampf um freie Herbergen abhetzen zu müssen.

Die angenehmen Temperaturen, die weniger überfüllten Herbergen und die entspannte Atmosphäre machen Frühling und Herbst ideal, um den Camino in einem ruhigen, meditativen Rhythmus zu gehen.


Warum es sich trotzdem lohnt

Gemeinschaft und Begegnungen

Trotz der Menschenmassen bietet der Camino Francés einzigartige Begegnungen. Pilger:innen berichten von tiefgründigen Gesprächen, gemeinsamen Erlebnissen und einem starken Gefühl der Zusammengehörigkeit.

 

Infrastruktur und Sicherheit

Die gut ausgebaute Infrastruktur sorgt dafür, dass der Pilgeralltag leichter fällt. Herbergen, Cafés und Geschäfte bieten Unterstützung und Sicherheit – selbst wenn der Camino stark frequentiert ist.

 

Spirituelle Erfahrungen

Auch inmitten der Massen gibt es Momente der Stille und Besinnung. Die Natur, historischen Stätten und täglichen Rituale ermöglichen persönliche und spirituelle Erfahrungen, die den Camino so besonders machen. Für weiterführende Tipps zu spirituellen Erlebnissen & Vorbereitung, schau dir unseren Artikel Den Jakobsweg spirituell erleben an.


Unsere persönliche Erfahrung

Insgesamt lässt sich aus eigener Erfahrung sagen, dass der Camino Francés der magischste aller Caminos ist. Natürlich ist das subjektiv, aber wir glauben: Genau die vielen Menschen, die diesen Weg gehen, machen ihn besonders. Es ist, als würde der Camino selbst Heilung in Gang setzen. Fast jede:r berichtet, dass er oder sie den Jakobsweg aus spirituellen, religiösen oder heilenden Gründen geht. Selbst wenn man nicht genau weiß, warum man geht, zieht einen etwas Magisches an.

Der Camino Francés ist international bekannt und beliebt – hier trifft man wirklich Menschen aus allen Teilen der Welt. Irgendwann wird das Land, durch das man wandert, fast nebensächlich; wichtiger wird die Gemeinschaft. Das Wissen, dass alle Pilger:innen hier sind, um zu wachsen und sich weiterzuentwickeln, schafft eine besondere Atmosphäre. Was genau dieser persönliche Wachstum bedeutet, ist für jede:n unterschiedlich, aber der Camino bietet den Raum dafür.

Für uns ist der Camino Francés der Inbegriff des Camino-Spirits: ein Lichttunnel, in dem Teilen, Mitfühlen und Gemeinschaft täglich gelebt werden. Mit der Zeit lernt man, nach dem Motto „The Camino Provides“ zu leben: man vertraut darauf, dass sich alles zum Guten wenden wird. Man geht mit Intuition, nicht mit dem Drang, alles kontrollieren zu wollen.

Das Schöne am Camino ist, dass man seine Rationalität zeitweise aussschalten darf – und dafür belohnt wird. Man landet in unglaublichen Herbergen, erlebt kleine Wunder und lernt, sich selbst zu vertrauen. Dennoch ist es sinnvoll, in stark frequentierten Abschnitten einige Herbergen vorher zu buchen. Selbst wenn einmal kein Platz frei ist, wird kein Pilger alleine gelassen – es findet sich immer eine Lösung, sei es ein Platz auf dem Boden im Wohnzimmer oder in einem Hotel.

Am Ende geht es nicht um Komfort oder Luxus, sondern um Vertrauen, Loslassen und das Eintauchen in die Erfahrung, die nur der Camino selbst vermitteln kann. Jede Begegnung, jede Geste und jede Nacht in einer Herberge wird Teil dieser besonderen Pilgerreise.


Praktische Tipps für Pilger:innen auf dem überfüllten Camino Francés

  • Herbergen im Voraus prüfen, besonders in der Hochsaison oder beliebten Etappen.
  • Früh starten, um die größten Menschenmengen zu vermeiden.
  • Seitenwege und alternative Etappen nutzen, um Ruhe zu finden. Wer noch andere Camino-Wege suchen will, siehe auch unseren Artikel Übersicht aller Wege ab Frankreich und Spanien
  • Teil der Pilgergemeinschaften sein: Gespräche und Mahlzeiten verbinden.
  • Vertrauen lernen: Der Camino bietet oft Lösungen, wenn man flexibel bleibt.

Fazit

Trotz Überfüllung bleibt der Camino Francés für uns der magischste und inspirierendste Jakobsweg. Die Gemeinschaft, Infrastruktur und spirituelle Tiefe machen ihn einzigartig. Mit etwas Planung und Offenheit kann man die Menschenmassen umgehen und den vollen Camino-Spirit erleben.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert